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Dienstag, 24. März 2015

Ox-Schreiber-Tour 2015 Schweiz

Part II: Punkrock, Mätel und Möhre und Bregenz-Riedenburg

Kennt ihr eigentlich Bregenz-Riedenburg? Diesen Vorort der Vorarlberger Hauptstadt Bregenz, dieser Stadt also, die da majestätisch am Bodensee liegt und die berühmte Seebühne beheimatet? Also ich kenne jetzt beides, von Bregenz selbst halt nur den Bahnhof (mit Minimalblick auf die Bühne) und von Riedenburg alles. Den Interspar und den DM und den Engelshop, wo ich meine Seele mit Hilfe von Engelsenergie meine Seele heilen kann.
Und Foto Meier natürlich (geiler Bandname übrigens). Und das Wirtshaus, das Samstagnachmittag zu hat und den Kaufmannladen, der ebenso um 16:00 schließt und es Gary Flanell und mir damit unmöglich macht in diesem trostlosesten aller Hauptstadtvororte ein Bier zu kriegen. Ja, und den Bahnhof natürlich auch.

Warum ich das erzähle? Na, wegen diesem Bahnhof eben und weil man dadurch muss, wenn man mit dem Zug von Rorschach nach Hohenems fährt. Gut, St. Margrethen, dieser letzte Ort im Schweizer Staatsgebiet, den wir betreten, bevor es für gut vierundzwanzig Stunden in österreichisches Hoheitsgebiet geht, ist da auch noch. Aber da gibt’s zumindest Bäckerinnen mit Dreadlocks, Berliner mit Aprikosenfüllung (sogar wenn Gary Flanell einmal nicht da ist) und natürlich die Ox-Bar.


Wir hätten ja auf einen Sprung reingeschaut, „Grüazi mitanond“ gesagt, ein Schützengartenbier getrunken und gefragt, ob die Bar einem gewissen Joachim Hiller gehört, aber wir sind ja nicht auf Urlaub, sondern auf Tour und der Zug wartet nicht einmal auf Literatur-Rockstars wie uns. Denn wie gesagt die Schweizer Bahn ist pünktlicher als die österreichische Post und die Zeit fließt nur so dahin, sogar in der Schweiz.
Ja, Riedenburg eben, da muss man durch, gesehen haben muss man es aber nicht.

Rorschach schon, Rorschach ist geil, das hat euch aber Gary Flanell schon erzählt. Und Hohenems gefällt mir auch ziemlich gut. Klar, eine Großstadt ist das nicht, muss es auch nicht sein. Kleinstadtidylle pur, Jugendstilkrankenhaus, gerne mal ein Bauernhof zwischen drinnen oder eine Wiese. Und egal wo du hinsiehst, irgendwo lacht dir immer ein Riese von einem Berg entgegen. Bier kriegst du hier auch keines, aber egal, wir wollen jetzt auch gar kein Bier mehr und schlendern lieber gemütlich, kaum sind wir raus aus dem Zug und haben beim Fragen nach dem Weg eine Ehe zerstört.
Sie: „So finden’s aber leichter“; Er: „Ja, aber der Weg ist schneller“; Sie: „Aber die kennen sich hier ja nicht aus“; Er: „Ja, aber der Weg ist schneller“; Sie: „Aber so ist es doch viel leichter zu finden“ , Er: „Aber der Weg ist doch schneller“ usw.

Das ProKontra sieht schon mal schick punkig aus, obwohl es eigentlich ein Einfamilienhaus ist und wir haben etwas Zeit, uns das alles genau anzusehen, die Hausfassade, die Bergkulisse etc., denn die Veranstalter sind noch nicht da. Wenig später biegt aber ein Benz um die Ecke und Punkrock Weiner und Mätel steigen gut gelaunt Säcke voller Lebensmittel und Bierflaschen schwingend aus. Möhre, die Kitesurflehrerin auf Urlaub kommt später auch noch. Dass Punkrock eigentlich Pascal heißt, erfahren wir später. Wie Mätel und Möhre heißen, ist uns nicht bekannt und im Folgenden auch nicht von Belang.
Wäre dies hier ein Kinderbuch mit dem Namen „Punkrock, Mätel und Möhre“ würde das nächste Kapitel jedenfalls „„Punkrock, Mätel und Möhre kochen Lasagne“ heißen. Später gibt es noch „Punkrock, Mätel und Möhre zeichnen eine Lesung auf“ oder „Punkrock, Mätel und Möhre reden über Berge“. Nicht zu vergessen: „Punkrock, Mätel und Möhre trinken Bier und hören Punkrock“.
Die Lasagne schmeckt übrigens hervorragend und die Zubereitung läuft charmant-chaotisch ab. Ich lasse mir währenddessen vom hiesigen W-LAN die gesamten Emails eines ganzen Monats fressen, während Gary Flanell, der ja doch schon über vierzig ist, erst einmal eine Runde schlafen geht.
Später siedeln wir vom einmal mehr großartig großen und komfortablen Backstagebereich ins „Beisl“, also die Kneipe, wo die Lesung stattfinden wird und ansonsten Punkrockkonzerte über die Bühne gehen. Der Sound ist schnell gecheckt und dann heißt’s erst einmal „Punkrock, Mätel und Möhre sowie Gary und H.C. warten auf Publikum“.

Das kommt dann auch in Form von fünf zwielichtigen Gestalten mit kurzen Haaren, die niemand so richtig zu kennen scheint. Es riecht nach Ärger, der aber ausbleibt, ob das jetzt die hiesigen Dorfnazis, Kleinstadtprolls oder einfach nur harmlose Betrunkene sind, erfahren wir nicht. Wir starten dann aber dennoch den Abend. Ich beginne mit Schwänken aus meiner Schulzeit, von den fünf Gästen schlafen zwei, zwei unterhalten sich, einer hört wirklich interessiert zu. Zumindest bis ihre Biere leergetrunken sind und die fünf wieder von dannen ziehen und nicht mehr hören, wie Gary Flanell von der Geburt der leibreizenden Spinne Pup erzählt.

Punkrock, Mätel und Möhre bleiben aber da, hören interessiert zu und zeichnen die ganze Sause für Radio Proton, dem im Haus ansässigen Radiosender des den Laden führenden Vereins Transmitter, auf. Nach einer kurzen Pause geht’s weiter, die Spinne Pup trifft Darth Vader und Billy Pinguin wird Rockstar.

Und dann, dann ist es endlich soweit, die Live-Premiere der großartigen URS GROB BOOTSBETRIEB. Da spazierst du noch am Vormittag am Bodensee, sagst ohne nachzudenken mit Fingerzeig auf ein gelbes Hüttchen: „Haha, geil, Urs Grob Bootsbetrieb, geiler Bandname“, weil du sowieso immer und überall nur in Bandnamen denken kannst und schon stehst du am Abend in einem Kulturzentrum in Vorarlberg und performst mit Gary Flanell unter diesem Namen einen Song, der früher einmal ein Text war, übers Polizistenessen. Gary spricht und rappt, ich klopfe und schreie Background und Mätel drischt auf die Drums ein. Geil. So geht Punkrock.

Später wird dann noch ein bisschen was, aber nicht viel - wir sind ja keine zwanzig mehr - getrunken und mit den sympathischen GastgeberInnen getratscht und so einiges gelernt: Das es in Sri Lanka keinen Leberkäse (also Fleischkäse) und auch keinen Salat gibt beispielsweise und dass das „L“ in „Radio L“ für „Liechtenstein“ steht. Irgendwann fährt Mätels letzter Zug nach Feldkirch, Möhre lässt sich auf das Sofa fallen, Punkrock auf ein anderes und Gary und ich uns in die Betten oben im großen Schlafraum.

In der Früh gibt’s hammermäßiges Frühstück und die vereinbarte Fixgage (da wären wir also wieder beim Geld), was uns ein weiteres Mal sehr freut. Das sollte selbstverständlich sein, sagt du, die vereinbarte Fixgage zu bekommen? Na, dann geh du mal auf Punkrocklesereise ohne Vertrag.
Egal, geile Stadt, geile Location, super Leute, spaßige Lesung (gut gelesen haben wir auch, wie ich finde), finanziell alles wunderbar und sowieso ein super Abend. Hohenems war ein voller Erfolg. Ja. Publikum wäre natürlich auch kein Fehler gewesen. Aber lieber lese ich vor „Punkrock, Mätel und Möhre und dem Aufnahmegerät“ und habe dabei Spaß und Aufmerksamkeit, als ich lese vor fünfzig laut plappernden Kneipengästen, die eh nur wegen dem Localsupport da sind – hatten wir doch auch schon, letztens in Köln, Sie erinnern sich, Herr Flanell?.
Ja, Punkrock, Mätel und Möhre, danke!

H.C. Roth

Verpassen Sie nicht die folgenden packenden Abenteuer von Bern: *** HC Roth und Gary Flanell und der freundlichste Taxifahrer von Bregenz** Wein kaufen in Bern mit einem Mann, den sie Lepra nannten*** Und dazu: Gags und Gäste und strahlende Lesende*** nächste Woche im dritten Teil des Ox-Schreiber-Tourtagwebuchs 2015!!!

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