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Dienstag, 28. April 2015

Der Butterfly-Effekt

Kurz vor dem revolutionären Ersten Mai macht die Renfield-Crew eine praktische Übung in Solidarität. Zu diesem Datum werden sich nämlich unsere Freunde vom SCHWARZEN SCHMETTERLING neu organisiert der Öffentlichkeit präsentieren. Reingucken kann man schon auf derschwarzeschmetterling.wordpress.com.


Diese Schmetterlings-Leute meinen es ernst. Sie sind schlau, sie sind organisiert, und sie werden die Welt verändern. Sie wollen Themen verständlich machen, die sonst nicht immer zugänglich sind. Sie sorgen für Raum, um intelligent über soziale und politische Dynamiken zu reden, ohne sich aufzuspielen, „ganz schön links, aber nicht borniert“.

Finden wir super. Daher heute eine Hommage an den SCHWARZEN SCHMETTERLING und zugleich einen kleinen Teaser für das neue Renfield-Heft, an dem wir tagein nachtaus fleißig arbeiten und das am 15. Mai erscheint, hurra, hurra! Seit dem vorigen Heft die Kolumne „The Renfield Rant“. Dort darf gemeckert und geschimpft werden, was die Wände der Gummizelle aushalten. Für das bald erscheinende Heft konnten wir den Gründer des Schwarzen Schmetterlings, Houssam Hamade, als Autor des Renfield Rant Vol. 2 gewinnen. Hier nun Vol. 1 aus Renfield No. 29 vom Oktober 2014:

THE REFUGEE RANT

SLOGAN: Das ist UNSER Haus!

Viele Menschen sind unglücklich und besorgt. Sie fürchten, dass von der schieren (wienerisch: schierchen) Masse an Menschen, die sich über die Grenzen dieses Landes drängen, der Grundwasserspiegel steigen könnte. Weil der Boden sich durch dieses krasse Gewicht einfach um ein paar Zentimeter senkt. Vielleicht fangen auch die Häuserwände an zu bröckeln. Dehnen sich aus und kriegen Risse. Unter den Brücken ist auch bald kein Platz mehr. Da sitzen sie alle, weil sie ja nicht arbeiten gehen. Man kommt kaum noch vorbei. Und am Ende kriegt wahrscheinlich noch jemand einen Ziegelstein auf den Kopf. Wenn die da alle auf dem Dach sitzen! Dafür ist es doch nicht gedacht!
Sie wünschen sich, dass mit diesen erschreckenden Menschenmassen, die hier einfach auftauchen und ein Dach über dem Kopf oder unter dem Hintern verlangen, irgendwas geschehen soll. Am Ende wollen die noch arbeiten gehen. Und was dann?

Zum Glück aber haben die (egal wer, die halt zuständig sind, es muss ja alles seine Ordnung haben) jetzt mal richtig Geld in die Hand genommen. Und sich auf eine alte Kategorie des römischen Rechts besonnen: das Mos Maiorum. Das heißt sowas Ähnliches wie Rückbesinnung auf die Tradition. (Wikipedia schlägt vor: „Sitte der Vorfahren“.) Alle, die also in Angst und Sorge um ihre Werte und Traditionen sind, weil sie fürchten, dass ihnen jemand ein Kopftuch vor die Augen binden könnte oder dass sie irgendwann vor lauter Moscheen den Weg nach Hause nicht mehr finden, die dürfen jetzt aufatmen. Denn die Bedrohung, die von all den Menschen auf den übervollen Booten ausgeht, wenn sie erst einmal, da sei Frontex davor, das andere Ufer erreicht haben, wird ab dem 13. 10. eingedämmt. Ein Jahr nach Lampedusa.

Ausgedacht hat man sich das wohl in Italien. Aber es findet in 25 europäischen Ländern statt und beschäftigt, für gutes Geld, 20000 Polizisten. Zwei Wochen lang machen sie Jagd auf illegale Einwanderer. Die sans papiers, die ihnen in die Finger kommen, werden festgenagelt, eingesperrt und deportiert, in die sogenannten „sicheren Drittländer“ wahrscheinlich. (Wir erinnern uns: Ein sicheres Drittland ist in dieser Welt zum Beispiel Rumänien für die Roma.) Während sie dieses noble Ziel verfolgen, dürfen die 20000 in unserem Namen lukrativ Beschäftigten natürlich jede*n, die so aussehen, als schlichen sie asylwerbend Richtung Norden, abfangen, belästigen, befragen, kontrollieren, festhalten. Ein Ersuchen um Asyl gilt ihnen als „modus operandi“ der illegalen Einwanderung. Zuviel Latein scheint auch nicht immer gesund zu sein.

Ein Wort aber, das man vielleicht kennen sollte, ist „Ressentiment“. Es bezeichnet die Angst und die Abneigung, die Menschen befällt, wenn sie auf die Idee kommen – egal wie weit das von der Realität entfernt sein mag –, jemand könnte ihnen ihre Privilegien rauben. Oder sie einschränken. Oder – und das scheint den selbstgerechten Deutschen manchmal das Schlimmste von allem – man könnte ihnen gar Vorwürfe machen! SHRIEK! Wir sind nicht schuld!!!

Dazu sagen Kreuzberger von überall her eigentlich nur eines: Wir haben Platz. Die einzige Aufgabe der Verwaltung wäre, das zu REGELN. Nämlich dafür zu sorgen, dass alle Unterkunft und notwendige Unterstützung bekommen. Die Aufgabe der Verwaltung ist es nicht, die Menschen mit ungültigen Verträgen zu betrügen, ihnen mit Kindesentführung zu drohen, sie mit Residenzpflicht zu belästigen, ihnen das Arbeiten zu verbieten, sie in Lager zu sperren, wo sie misshandelt werden. Es ist Platz in der Ohlauer Straße, es ist Platz in der Gürtelstraße, es ist Platz in der Cuvrystraße. Es ist Platz überall, wo überteuerte Ferienwohnungen vermietet werden dürfen.
Berufen wir uns also auch auf eine Tradition, dann werden wir vielleicht verstanden. Und die klingt so:

Das ist unser Haus! Schmeißt doch endlich den Senat aus Kreuzberg raus!

Alissa Wyrdguth

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