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Mittwoch, 20. Mai 2015

Zines, Zines, Zines

Endlich mal eine Headline, die tut, was sie tun soll. Nämlich auf den Inhalt dieses Posts hinweisen. Hier finden sich also ein paar Rezis von Fanzines, die im Laufe der letzten Monate im Renfield-Hauptquartier eingegangen sind. Und um ehrlich zu sein: Soviele Fußball-Zines waren es schon lang nicht mehr. Seh ich da einen Trend am Horizont herangaloppieren...?

All to nah - No. M (A5, s/w, 20 S., alltonah@gmx.de, All to nah c/o Jan Stöver, Eißendorfer Straße 83, 21073 Hamburg)
Also Fußball-Zines. Die kleinen Punk-Geschwister der vereinseigenen Stadionhefte haben bei mir nie großes Interesse erzeugt. Liegt zum einen daran, dass dabei immer ein Verein abgefeiert wird, den ich entweder nicht so wirklich mag oder gar nicht kenne. Aber Sympathie für diese Publikationen ist auf jeden Fall da, denn meist steckt eine Menge Herzblut darin. Das All To nah kommt, leicht zu erraten, aus der Anhängerschaft von Altona 93. Soviel erfährt man aber nicht über die sportliche Seite dieses Vereins der Hamburger Oberliga. Dafür werden die Fanzine-o-Theken in Barcelona und Manchester vorgestellt und ein Klebebildchen wie aus goldenen Panini-Zeiten eingefügt. Der Großteil des Heftes besteht aus Rezensionen anderer Fußball-Zines und wenn mich irgendwann die Lust packt, mich eingehender mit dieser mir bisher verschlossenen Zine-Szene zu beschäftigen, wird ich das All to nah als Einstiegslektüre gern hervorholen.
Gary "Flankengott" Flanell

Auf Jahre unschlagbar #2, (A5, s/w, 44 S., fanzine@aufjahreunschlagbar.de)
Wäre ich geiler Fußballreporter würde ich die Macher dahinter mit allerlei seltsamen Metaphern betiteln: Das Traumduo der Fußballzine-Szene. Die Sturmspitzen vom Hartbolzplatz. Schweini und Poldi der Zinelandschaft. Weil Metaphern wie diese aber so hinken wie Ewald Lienen nach seinem bösen Foul, lasse ich das mal. Mika vom Trust, und Chris vom Try to wake up with a smile-zine sind die beiden, die im hübschen AJU ihre Faible für DIY-Zines und niederklassige Fußball-Erlebnisse ausleben. Fußball ist zwar immer der Aufhänger, aber oft geht es auch um Musik und mehr. Das Inner-Conflict-Interview starte mit einer Frage zu deren „Peter Neururer…“-Song, auch beim Gespräch mit Tobi vom Punk is dad-Zine geht es um Fussek. Mika,Chris und ihrer Lakaien sind sich nicht zu schade, auch mal in die letzten Niederungen des Rasenballsports einzutauchen, also gibt es einen Bericht vom Auswärtsspiel der TeBe Berlin in der 6. Liga und vom niederrheinpokalfinale RWE gegen MSV Duisburg. Wie sowas ausgeht ist dabei zweitrangig, eher geht es um das ganze Drumherum und auch um Probleme mit rechten Fans der Gegenseite. Die Story über Fußball auf den Philippinen ist sehr gelungen. Da finde der beinharte Fußball- Zineast genug Stoff, um beim nächsten Kneipenbesuch mit geilem Insiderwissen zu glänzen.
Gary "Garinho" Flanell

Messeblatt Fanzinefest-special ’14 (A5, s/w, 36 S., contact: messeblatt@gmx.de, messeblatt.blogsport.de)
Das waren noch Zeiten, als Fußballstadien nach Literaturnobelpreisträgern benannt wurden! Was gäbe ich heutzutage für eine Samuel-Beckett-Arena, eine Hemingway-Kampfbahn oder ein Selma-Lagerlöf-Stadion? Gibt’s alles nicht, nur Theodor Mommsen hat es geschafft. Das gleichnamige Stadion kennt jeder Tennis-Borussia Berlin-Fan. Woher ich das mit Mommsen und dem Nobelpreis weiß? Aus dem Porträt dieses Historikers im extra von den Zero Ultras von Tennis Borussia Berlin zusammengestellten Best of… aus zwei älteren Ausgaben des Messeblatts. Best of… heißt in diesem Fall: TeBe-Fans und ihr Clinch mit den rechten Typen vom TSV Rudow, kleiner VokuHiLa-Modetipp, eine gebrochene Lanze für den Dresdner DSC und eben ein ausführliches Porträt über Teddy Mommsen. Den kannte ich bisher nur als Namensgeber für Gymnasien aus den Paukerfilmen der 60er. Zumindest weiß ich nun, dass er auch für einen Stadionnamen nicht der blödeste Namenspate ist.
Gary "Maracanaco" Flanell

Drink before Shaking – a brief history of Rock City Berlin (A5, s/w, 44 Seiten, www.andyleuenberger.com)
Andi Leuenberger ist einer von denen, die man regelmäßig mit einem Stand auf einer Zine-Messe in Berlin trifft. „Drink before shaking“ ist der erste Comicband, den ich von ihm in die Finger bekommen habe und bin ziemlich begeistert. Passt nämlich alles zusammen. Die Zeichnungen sind top, ein bisschen wie die von Robert Crumb. Ziemlich treffsicher nimmt Andy alle Auswüchse des Berlin-Hypes auf Korn. Berghain-Zombies, tätowierte Szenehengste und Hipster-Ex-Pats, alle kriegen ihr Fett weg. Der Herr L. hätte sicher ein regelmäßiges Plätzchen in einem Berliner Stadtmagazin verdient, seine Comics sind dafür allerdings eventuell zu zynisch und böse. Sehen aber so gut aus, dass man sich jedes einzelne auch als Motiv auf ein Shirt drucken könnte. Gary Flanell

Hypothetical Love Triangle (A5, s/w, 40 S., hennarasanen.wordpress.com)
Fast scheint es, dass jede/r der sich der LGBT-Szene zugehörig fühlt, auch sein eigenes Heft machen muss. Henna Rasanen lebt in Helsinki und Berlin. Wenn sie nicht zwischen beiden Städten hin und herzischt, zeichnet sie kleine Comic-Strips, in denen sie meist die LGBT-Szene aufs Korn nimmt. Queer, Lesbian, Gender, Liebe, und die dazugehörigen Frustrationen sind Thema ihrer Strips. Davon gibt es einige Hefte und viele davon findet man auf Fanzinemessen. Hennas Strips sind oft ziemlich persönlich, und am Besten wenn sie die Klischees der Szene aufs Korn nimmt, wie beispielsweise beim Centerfold mit dem Queer-feminist-Bingo.
Gary "Hyperthetic" Flanell

Instantes (A5, 16 S., s/w, recontrapunk@hotmail.com)
Brücken, Laternen, Flugbilder. Neben Punk und Hardcore ist Fotografieren eine weitere Passion von Entes-Anomicos-Herausgeber Carlos. Eine Handvoll Bilder hat er dazu in diesem fotokopierten Fotozine zusammengestellt. Stilleben und Landschaftsaufnahmen, meist ohne Menschen finden sich vermehrt in diesem kopierten Heft. Die Fotos haben zwar alle eher Urlaubsfotocharakter, sind aber nicht so schlecht. Gedruckt wäre das noch ein bißchen cooler.
Gary "Die Linse" Flanell

Mit Scharf No. 10 und 11 (jeweils A5, 52 bzw. 41 S., s/w m. Farbcover, mitscharf@hotmail.fr)
Zweite Begegnung zwischen dem Heft mit dem Döner-Standard-Spruch-Titel und dem Rezensenten. So ganz schlau werde ich nicht aus dem, was in diesem bilingualen geboten wird und wo es hingehen soll. Und das, obwohl beide Nummern jeweils ein Oberthema haben, an dem man sich entlanghangelt. No. 10 widmet sich ganz dem Thema Müßiggang, No. 11 dem etwas ernsteren Thema Kolonisation. Wobei bei letzterem auch gern mal der Wortwitz mit Colon, dem Darm, aufgegriffen wird. Also ein Thema, das auf unterschiedlichste Weise, meist jedoch von der graphischen Seite bearbeitet wird. Soll heißen, viele Zeichnungen, ganze Comics, einige Texte und Gedichte, die letzten beiden immer auf Deutsch und Französisch. Die Gedanken der Autoren und Zeichner kreisen ziemlich frei, Assoziationen sind wohl gern gesehen bei der Gestaltung des Heftes. Zwar nicht besonders informativ, dafür sehen beide Ausgaben schick aus und sind liebevoll gemacht.
Gary "Salat alles?" Flanell

Entes Anomicos 15 (A5, ca. 60 Seiten, s/w, recontrapunk@hotmail.com)
60 Seiten? Oder noch mehr? Egal, wie viele es sind: das Entes Anomicos ist wieder mal so richtig fett. Carlos und Hector leben beide mittlerweile schon länger in Deutschland, geben mit dem E.A. aber einen zuverlässigen Anzeiger für Punk und HC aus der ganzen Welt raus. Südamerikanische Bands stehen öfter im Focus, schließlich sind dahin die Kontakte durch das Label Entes Anomicos und ihre Herkunft am besten. Und da man von dort zwar übers Internet auch alles kennen lernen kann, aber nie so richtig weiß, was gut sein könnte, hat so ein Lotsenheft seine Berechtigung. Unglaublich viele Bands werden vorgestellt, manchmal in Interviewform, manchmal als Kurzporträt. Promesas, Ettison Clio, Pocket for Corduroy, Pride and Ego Down, Fuck Wolves sind nur wenige davon. Dazu noch Reviews, und ein paar persönliche Gedanken. Achja, und all das in Spanisch. Sollte man können, dann ist es super. Einziger Meckerpunkt: Heften hätten sie es können, so fleddert diese Loseblattsammlung schon beim zweiten Durchschauen unrettbar durch den Raum.
Gary "Mosh Pit" Flanell

PLASTIC BOMB #90
Happy, happy, HAPPY Glückwunsch zum 90. Geburtstag. Die Bombe biegt auf die Zielgerade zu den letzten paar zweistelligen Ausgabennummern ein, und Wette: Wenns dann 2016 oder 2017 die Hundert regnet, wird’s auch dann so sein wie immer. Zusammenprügelcover in Reichskriegsflaggen-optik, eine fröhliche Zumutung von Layout, Textbild und Korrekturlesen, das x-te Samplerwunder schlichthin, und nach einer Viertelstunde nur mehr noch älteres Altpapier. PB ist, deshalb funktioniert auch die Abkürzung, inzwischen Institution und irgendwie Establishment, und einzelne Schreiber legen allmählich anscheinend schon gut zu (vgl. EA80-Konzertbericht). Ein paar Brüche täten mal gut, um nicht irgendwann nur noch da zu sein. Vielleicht was über Autos. Oder ein Micaela Schäfer-Feature. Oder Rechtschreibung.
Philip "H-Bomb" Nussbaum

STEF – Spitzengeschichte! - ein 32-Stunden-Comic (comicsweatshop.de)
Vögel wollen einen Hund umbringen und tun es schlussendlich dann doch nicht. Ende. Die meisten Rätsel gibt die Sache mit den 32 Stunden auf. Lesezeit? Vrööp. Seitenzahlanalogie? Vrööp. Anderweitiger inhaltlicher Zusammenhang? Kann genauso sein, wie dass es 32 Stunden gedauert hat, die Story zu zeichnen, zu vervielfältigen, zu tackern und zu verbreiten. Oder sich den Künstlernamen auszudenken. Spartanischer, aber kurzweiliger DIN A5-Auftritt, Reduktion auf Schwarz, Weiß, Federn und Gekläff. Nette Übersetzung des lebensweisheitlichen Tipps „Immer daran denken – nicht zu viel anziehen!“
Philip "Micaela Schäfer" Nussbaum

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